Natalia Sousa
Mehr als Moore
Seit Jahrzehnten schrumpfen die Transistoren in integrierten Schaltungen, wodurch immer leistungsfähigere Chips entstanden sind. Porsche Engineering berichtet, wie Forscher und Industrie daran arbeiten, um Chips auch in Zukunft immer leistungsfähiger zu machen und wie davon langfristig die Automobilindustrie profitiert.

Die Geburtsstunde der modernen Elektronik schlug am 16. Dezember 1947 in den Bell Labs in Murray Hill (New Jersey). Damals gelang es dem Physiker Walter Brattain erstmals, mit einem improvisierten Halbleiter-Bauelement eine elektrische Spannung zu verstärken. Der Transistor war geboren. Mit ihm stand zum ersten Mal eine Alternative zu den klobigen, unzuverlässigen und energiehungrigen Vakuumröhren zur Verfügung. Brattains Laboraufbau aus einem Germanium-Plättchen, einem Plastik-Dreieck, einer Goldfolie und einer Büroklammer hatte zwar äußerlich noch nichts mit modernen Chips zu tun – aber er läutete dennoch die Ära von Personal Computern, Smartphones und selbstfahrenden Autos ein.
Das neue elektronische Bauelement eignete sich als Verstärker und als Schalter – und es ließ sich mit seinesgleichen sowie anderen Komponenten wie Widerständen und Kondensatoren als integrierte Schaltung (integrated circuit, IC) auf einem einzigen Halbleiterplättchen unterbringen. In den folgenden Jahrzehnten gelang es den Halbleiterunternehmen, die Bauelemente immer mehr zu verkleinern und eine immer größere Zahl von ihnen auf der gleichen Fläche unterzubringen. Gordon Moore sagte bereits 1965 voraus, dass die Zahl der Transistoren pro Flächeneinheit exponentiell ansteigen werde.
Einfache Skalierung kommt an ihr Ende
Moores Vorhersage hat sich über Jahrzehnte im Wesentlichen als korrekt erwiesen. Jetzt stößt sie aber endgültig an ihre Grenzen, weil die schrittweise Verkleinerung der bewährten MOSFETs (Metal-Oxide- Semiconductor Field-Effect Transistor) als Schalter auf den Chips nicht mehr funktioniert: „Vor etwa 15 Jahren hat man erkannt, dass die einfache Skalierung an ihr Ende gekommen ist“, berichtet Dr. Heike Riel, IBM Fellow am IBM- Forschungszentrum im schweizerischen Rüschlikon. „Zuerst haben die Hersteller darum bei gleichbleiben- der MOSFET-Geometrie zum Beispiel Siliziumdioxid als Isoliermaterial in den Transistoren durch sogenannte High-K-Materialien ersetzt. So ließen sich Chips mit 45 Nm großen Strukturen herstellen.“
Aber auch dieser Trick konnte das Mooresche Gesetz nur einige Jahren am Leben halten. Darum setzten die Chiphersteller ab der ersten Hälfte der 2010er-Jahre auf eine neue Transistor-Architektur für noch kleinere Komponenten: den FinFET. Bei ihm ist der leitende Kanal zwischen Source- und Drain-Anschluss wie eine Flosse (englisch „fin“) geformt und wird von der Steuerelektrode (Gate) an mehreren Seiten umschlosen. „Dadurch lässt sich der Stromfluss im Transistor wesentlich besser kontrollieren“, so Riel. „FinFETs kamen ab 22 Nm Strukturgröße zum Einsatz und sind heute Standard in integrierten Schaltungen.“
Der Gate-all-around-FET
Aber auch ihr Nachfolger steht schon bereit. Ab Strukturgrößen von fünf Nanometern soll der GAA-FET (Gate-all-around-FET) die Arbeit in den Chips übernehmen. „Bei ihm besteht der leitende Kanal zwischen Source und Drain aus mehreren parallelen Silizium-Nanodrähten, die jeweils komplett von der Gate-Elektrode umschlossen sind“, erklärt Riel. „Das ist die optimale Geometrie für die Steuerung des Stromflusses. Außerdem spart man Fläche auf den Chips, weil mehrere dieser Nanodrahtstrukturen, die den Kanal des Transistors bilden, übereinander liegen.“ Von Entwicklungen wie dem GAAFET werden künftig auch Automotive-Anwendungen profitieren – denn sowohl die neuen, leistungsstarken High Performance Computing Platforms (HCPs) als Nachfolger der vielen dezentralen Steuergeräte als auch die Spezialprozessoren für das autonome Fahren sind auf Chips mit hoher Rechenleistung angewiesen. Das Mooresche Gesetz wird aber auch der GAAFET auf Dauer nicht retten können: Jenseits von drei Nm Strukturgröße wird es eng. In drei bis vier Jahren könnte diese Grenze erreicht sein.

„Eine geniale Phase des Verbesserns kommt damit an ihr Ende“, sagt Prof. Dr. Thomas Schimmel, Direktor am Institut für Nanotechnologie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). „Bisher hat man immer eine technische Lösung gefunden, die eine weitere Verkleinerung des klassischen Transistors ermöglichte – aber jetzt hat man in den Chips atomare Dimensionen erreicht. Durch den quantenmechanischen Tunneleffekt können Elektronen Isolierungen durchqueren, was die Bauelemente unbrauchbar machen würde. Denn im Gegensatz zu den Vorstellungen der klassischen Physik können die Elektronen selbst dann Barrieren überwinden, wenn sie eigentlich nicht genügend Energie dafür besitzen.“ Aber auch das gezielte Einbringen von Fremdatomen in das hochreine Silizium während des Produktionsprozesses – „Dotieren“ genannt – funktioniert bei immer kleineren Strukturen nicht mehr zuverlässig.
Kein heißer Nachfolge-Kandidat in Sicht
Gesucht wird darum ein Nachfolger des Transistors, mit dem sich die Performance elektronischer Schaltungen in Zukunft weiter steigern lässt. IBM-Forscherin Riel zählt eine ganze Reihe von MOSFET-Alternativen auf, darunter den Carbon Nanotube Field-Effect Transistor (CNFET) und den Tunnel-FET (TFET): Im CNFET fließt der Strom durch winzige Röhren aus Kohlenstoff. Forscher vom MIT haben dieses Jahr gezeigt, dass sich die schnellen und energieeffizienten Schalter in konventionellen Chip-Fabriken herstellen lassen. TFETs sind ähnlich aufgebaut wie konventionelle Transistoren, nutzen beim Schalten aber den quantenmechanischen Tunneleffekt zu ihrem Vorteil. Sie sind energiesparend und schnell. Ob CNFET, TFET oder ein anderer Ansatz das Rennen machen wird, ist aber völlig offen. „Es gibt derzeit viel Forschung, aber noch keinen heißen Kandidaten für die Nachfolge des optimierten Silizium-MOSFET“, so Riel.
KIT-Forscher Schimmel setzt dafür langfristig auf den Einzelatom-Transistor: Bei ihm verschiebt ein